Seelenort Orenberg

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Sehenswürdigkeit divers

Mit Heide bewachsener Gipfel mit weitem Blick über Willingen

Versöhnte Gegensätze

„Im Wald boten sich mir zwei Wege dar/ ich wählte jenen, der am wenigsten betreten war.“ Die Zeilen von Robert Frost fallen mir ein, als ich am Stadtrand von Willingen stehe. Um auf den Orenberg zu gelangen, hat man die Wahl zwischen zwei ganz unterschiedlichen Wegen. Der eine bequem, an der Übungsschanze vorbei in weiter Nordkurve sacht hinauf führend. Der andere herausfordernder, etwas südlich von der Schanze beginnend und steil ansteigend, ein wenig begangener Pfad.
Meine Empfehlung: Entscheide dich fürs Unbequeme, du wirst es nicht bereuen. Die andere Route kannst du für einen gemächlichen Rückweg reservieren.
 Schon nach wenigen Schritten ins Schattenreich des Buchenwaldes siehst du vermutlich, was ich meine. Am Hang über dir stehen keine Bäume, es sind Fabelwesen, die den Pfad säumen. Beim Hochschnaufen, langsam einen Fuß vor den anderen setzend, könnte es sein, dass dir Geschichten in den Sinn kommen, Dramen, Filmtitel: Der sich die Haare rauft. Das Geheimnis der Medusa. Durga, Göttin mit den 18 Armen. Vom Winde gebeugt. Titanen. Der letzte Tanz.
Bald flacht die Steigung ab. Der Pfad macht sich mit ein paar letzten Wellen interessant. An einer niedrigen Pflanzenpforte musst du den Kopf einziehen, ein paar Schritte noch, dann erreichst du das Hochplateau. Ein Blick hinab genügt, und dir wird vermutlich klar, warum dies der Hausberg der Willinger ist. Von hier aus können sie die ganze Stadt übersehen. Nah genug die Häuser, nur 150 Höhenmeter trennen Talsohle und Gipfel, um jedes Detail zu erkennen, weit genug weg, um im Weichbild Willingens zu lesen, was die Vergangenheit der Gegenwart überlassen hat und wohin die Zukunft strebt. Die ausnahmslos grauen Schieferdächer gibt es erst seit dem großen Brand von 1847, als sich die Flammen von Holzdach zu Holzdach fraßen.
Unten an der Bundesstraße steht die Alte Post, dort hielt 1917 die letzte Kutsche. Sie machte der Eisenbahn Platz, 100 Meter südlich wurde dafür ein elegantes Viadukt gebaut. Mit dem Bahnanschluss kamen die Gäste, 1934 der Titel Luftkurort, Pensionen und Hotels wurden gebaut. Das größte von ihnen, der Sauerland-Stern, ist von hier oben leicht zu erkennen. Einst berüchtigt für exzessive Kegelclub-Erotik, sollen heute lieber Familien und Tagungen kommen. Auf den Hängen gegenüber die Schneisen der Lifte, winters für Skifahrer, sommers bei Mountainbikern beliebt. Die Häuser und Sportanlagen unter mir kommen mir vor wie Worte, die durch Straßen zu Sätzen verbunden werden und von einer Stadt erzählen, die es offensichtlich versteht, Gelegenheiten beim Schopfe zu packen.
Jetzt kommt der entscheidende Dreh. Wenn du dich um 180 Grad wendest und ein paar Schritte gehst, bist du plötzlich in einer vollkommen anderen Welt. Kaum noch Geräusche. Flach die Heidesträucher, flach das Land, du siehst bis zum Osterkopf im Osten, dessen gelbliche, fast baumlose Kuppe an toskanische Hügel erinnert. Mit der Blickrichtung wechselt auch das Tempo. Alles geht langsamer. Wanderer verfallen in Bummelgang zwischen den lilafarbenen Zwergsträuchern, der Wind hält den Atem an, Schmetterlinge scheinen Slow-Motion zu fliegen. Eine Anderswelt, die nach eigenem Takt lebt, irgendwas zwischen Adagio und Largo. Was für ein Kontrast zur geradezu urbanen Geschäftigkeit auf der anderen Seite!
Nichts symbolisiert diese Gegensätze so sehr wie das Gipfelkreuz. Auf Augenhöhe ist ein QR-Code angebracht. Eine Ikone des digitalen Zeitalters klebt auf dem Symbol der Christen. QR steht auf deutsch für „schnelle Antwort“. Auch der Heiland verspricht Antworten, wenn auch nicht unbedingt auf die Schnelle. Um den einen Code lesen zu können, braucht man App und Internet, für den anderen reicht ein offenes Herz. Das schwarzweiße Muster steht für die Segnungen der Moderne, das Kreuz segnet die Stadt. Eine Versöhnung, 702 Meter über dem Meer.
 
Und du, Wanderer, bereit für den Abstieg? Vielleicht nimmst du etwas von der segensreichen Ruhe mit hinab. Wenn du unten angekommen bist, wartest du noch eine Weile, bis du wieder online gehst. Du betrittst die Stadt womöglich gemächlicher, als du sie verlassen hast: als Flaneur im Takt der Anderswelt.
 
Autor: Michael Gleich






Gut zu wissen

Eignung

  • für Individualgäste

Fremdsprachen

Deutsch

Zahlungsmöglichkeiten

Eintritt frei

Anreise & Parken

Mit dem Auto über die B251
ÖPNV: Bus/Bahn bis Bahnhof Willingen, weiter mit Bus oder Anrufsammeltaxi (diverse Haltestellen in allen Ortsteilen)

Weitere Infos

Sauerland·Seelenorte – das sind Felsen und Steinbrüche, Kirchen und Bergkuppen, mächtige Bäume und unterirdische Grotten, Seen und Täler. 43 Orte, über die Sauerland-Wanderdörfer verteilt, wurden ausgewählt, weil sie besonders beeindruckend sind und für die Menschen in ihrer Umgebung eine besondere Bedeutung besitzen. Nicht nur heute, sondern auch schon zu früheren Zeiten. Sie berühren die Menschen emotional, geistig und spirituell. Sie rufen starke Resonanzen hervor. Es sind Orte, zu denen die Menschen wandern und wo sie abschalten können. Zu sich kommen. Die Ruhe genießen. Inspiriert werden. Neue Einsichten gewinnen. Auch wenn jeder Seelenort seine eigene Geschichte erzählt, gibt es eine Qualität,die alle verbindet: Lebendige Stille.

Ansprechpartner:in

Tourist-Information Willingen

Autor:in

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Am Hagen 10
34508 Willingen (Upland)

+49 5632 / 9694353

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